
Wo begegnet dir Hoffnung, Schwester Birgit?
Sr. Birgit Holtick ist in der Pfarrei St. Dionysius in Essen-Borbeck tätig und gestaltet dort pastorale Angebote für junge Erwachsene und Familien oder organisiert Veranstaltungen in der Pfarrgemeinde. Seit vielen Jahren leitet Sr. Birgit Holtick die „Don Bosco Vesper“ und bietet „Exerzitien im Alltag“ für Gruppen an. Darüber hinaus ist sie über das Exerzitienreferat des Bistums ansprechbar für die geistliche Begleitung Einzelner.
Das Thema Hoffnung spielt bei dir in diesem Jahr eine große Rolle – vor allem in der Pfarrei. Wie kam es dazu?
Das war eigentlich eine relativ spontane Idee. Unserem Pfarrer war es ein Anliegen, das Jubiläumsjahr, das Heilige Jahr, besonders zu gestalten. Im Pastoralteam haben wir dann überlegt, welche Angebote passend wären. Wir vom Pastoralteam haben viel Wert auf eine bewusste Gestaltung des Jahres gelegt: Wir haben das Jubiläumsjahr im Januar offiziell eröffnet und werden es im Dezember bewusst abschließen, um das Thema noch einmal in den Fokus zu rücken. Dazwischen gibt es einige Veranstaltungen in unserer Pfarrei, wie zum Beispiel einmal im Vierteljahr einen Abend mit Anbetung, Beichtgelegenheit und Eucharistiefeier – jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Mit den jungen Erwachsenen haben wir im April eine Art Pilgergang durch die Pfarrei unternommen, unter dem Motto „Hoffnungsvoll unterwegs“.
Für mich war klar, wieder „Exerzitien im Alltag“ anzubieten. Während der Fastenzeit habe ich eine 13-köpfige Gruppe zum Motto des Heiligen Jahres „Pilger der Hoffnung“ begleitet.
Was gibt dir bei deiner Arbeit Hoffnung?
Was mir Hoffnung gibt, ist, wie ernst die Menschen das Thema Glauben nehmen. Es ist keine Modeerscheinung, sondern sie merken einfach, das ist etwas, das mir guttut. Es ist spannend zu beobachten, wie jede und jeder in einer Gruppe seinen eigenen Glaubensweg geht, ohne sich mit anderen zu vergleichen. Und auch zu sehen, wie Menschen ganz selbstverständlich ihr spirituelles Leben in den Alltag integrieren - wo ich auch mir manchmal als Ordensfrau denke „Ja, klasse, da kannst du was von lernen!“ Ihr bewusstes „Das ist mir wichtig, also mache ich das“ beeindruckt mich sehr.
Ebenso Hoffnung gibt mir die große Bereitschaft vieler Laien, sich aktiv zu engagieren, einfach mitanzupacken. Ein Beispiel: Wir stehen vor der Schließung einer Gemeinde. Doch die Menschen sagen nicht einfach: „Auch das noch, jetzt sind wir die, die übrigbleiben!“ Nein, sie wollen den Prozess mitgestalten.
Ein weiteres Hoffnungszeichen ist für mich, dass immer etwas Neues entsteht. Zum Beispiel sind einige der regelmäßigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Don Bosco Vesper“ inzwischen verheiratet und haben Kinder. Daraus ist eine neue Familiengruppe entstanden, die sich nun alle zwei Monate trifft. Sie haben einen eigenen Raum für spirituelle Impulse und Austausch gefunden. Diese Erfahrung: Es wird anders, aber es geht weiter, es bricht etwas Neues auf – das gibt viel Hoffnung.
Orte, die Hoffnung geben: Für Sr. Birgit Holtick ist so ein besonderer Ort die Marienbasilika in Kevelaer.
Woher beziehst du persönlich Kraft und Hoffnung?
Einerseits tatsächlich in den Gebetszeiten – sowohl den persönlichen als auch den gemeinschaftlichen. Ich spüre dabei: Egal, wie es mir geht, ich kann da sein und mitbeten.
Andererseits in Freundschaften und Beziehungen zu Menschen, bei denen ich einfach sein kann, wie ich bin. Wo ich sagen kann, heute hab ich gar keinen Bock, heute geht es mir nicht gut – und die dann sagen:„Ach komm, wir fahren nach Kevelaer.“ Das ist mein persönlicher Hoffnungsort, ein Wallfahrtsort, den ich einmal im Jahr besuche – oder einfach dann, wenn es mir nicht gut geht.
Hoffnung finde ich auch bei Menschen, wo ich das Gefühl habe, dass sie aus dem Glauben leben und wir gemeinsam auf dem Weg sind. Wir können die Höhen und Tiefen, die Auf und Abs des Lebens miteinander teilen. Das können meine Mitschwestern sein, Freunde oder Menschen in den Exerzitien oder dem Bibelkreis.
Was ich auch bemerkenswert finde, sind die Gespräche, die oft nach der „Don Bosco Vesper“ unter den jungen Erwachsenen geführt werden. Es ist die Tiefe, mit denen sie miteinander ins Gespräch gehen. Oft sitze ich einfach da und staune, wie ernst sie das Leben nehmen – nicht auf eine bedrückende Weise, sondern mit einer tiefen Achtsamkeit für die Herausforderungen, die es mit sich bringt.
Viele von ihnen arbeiten im sozialen Bereich, und es ist spürbar, wie sehr ihnen ihre Berufe am Herzen liegen. Besonders beeindruckt mich, dass einige sich für die Gemeinschaft der Salesianischen Mitarbeiter interessieren und sich regelmäßig mit uns austauschen. Das finde ich tatsächlich auch ein Hoffnungszeichen.
Nicht zuletzt ist es die Musik, die mir Karft schenkt. Das Gitarrespiel und das Singen – persönlich und gemeinsam – lassen mich aufleben, gerade dann, wenn gar nichts mehr geht. Im Singen kann ich sowohl Hoffnungslosigkeit als auch Hoffnung ausdrücken, die ich spüre. Das tut wirklich gut.
Der Auferstandene in der Basilika am Colle Don Bosco ist inspiriert von der österlichen Spiritualität Don Boscos, die sich ausdrückt in Optimismus und Lebensfreude.
Ostern ist das Fest der Hoffnung für Christen. Was bedeutet das für dich?
Karl Rahner sagt: „Das Tröstliche ist, dass wir wissen, nach jedem Karfreitag kommt ein Ostern.“ Ostern feiern bedeutet für mich, durch das Dunkel hindurchzugehen und zu wissen: Es geht weiter. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das gilt ja auch für unseren Alltag mit seinen Höhen und Tiefen, wo wir die Erfahrung machen dürfen, es geht da hindurch in etwas Neues.
Das finde ich an Ostern so bewegend. Bis hin zu der Geschichte der Emmausjünger. Sie begegnen Jesus, doch sie erkennen ihn zunächst nicht. Enttäuscht sagen sie: „Wir hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“ Ihre Hoffnungen wurden nicht erfüllt – zumindest nicht so, wie sie es erwartet hatten. Aber ihre Hoffnung erfüllt sich auf eine andere, tiefere Weise. Denn Jesus ist nicht der politische Retter, sondern der, der durch den Tod hindurch neues Leben schenkt, neue Perspektiven eröffnet.
Für mich ist Ostern ohne Karfreitag nicht denkbar. Genau das spiegelt sich im österlichen Triduum wider, das wir am besten in Gemeinschaft feiern: Der Gründonnerstag beginnt hoffnungsvoll, doch dann kommt eine dramatische Wendung – der Kreuzweg, der Tod, die Einsamkeit, das Leid. Und schließlich kommt der Ostermorgen: Das Grab ist leer. Alles ist anders. Es übersteigt unsere menschliche Vorstellungskraft.
Wir haben es leicht – wir wissen, dass Ostern kommt. Doch die Menschen damals wussten es nicht. Aber wir wissen es. Und darin liegt für mich Hoffnung: dass auch ich in meinem eigenen Leben darauf vertrauen darf und es auch immer wieder erfahre.
Besonders tröstlich finde ich, dass selbst Jesus am Kreuz die tiefste Gottverlassenheit spürt. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – diese Worte sprechen mir aus der Seele. Aber ich weiß heute, dass er durch diesen Schmerz hindurchgegangen ist. Das hilft mir in meinen eigenen Momenten, wenn ich mich verlassen fühle. Ich darf mit ihm beten, ich darf mit ihm hoffen.
Ein konkretes Hoffnungszeichen gibt es ja auch für deine Gemeinschaft in Essen?
Ja, zwei Mitschwestern sind seit Jahresbeginn neu in unsere Gemeinschaft gekommen. Das ist für mich ein deutliches Hoffnungszeichen. Es bestätigt, dass unsere Arbeit hier in Essen weitergehen kann. Wir sind nun mehr und können dadurch neue Ideen umsetzen. Dass zwei so kreative Mitschwestern dazugestoßen sind, fühlt sich richtig gut an, und dafür bin ich sehr dankbar.