
Brücken bauen in der Troststraße
In der Troststraße in Favoriten, dem 10. Wiener Gemeindebezirk, liegt einer von insgesamt drei Kindergärten des Bildungszentrums Kenyongasse der Schwestern vom göttlichen Erlöser. Hier arbeitet Don Bosco Schwester Christina Dirnwöber als Elementarpädagogin. Sie ist Teil eines 13-köpfigen Teams, das in vier Gruppen rund 70 Kinder aus verschiedenen Ländern und Kulturen begleitet.
Die 44-jährige Ordensfrau leitet dort eine Gruppe von 20 Schulanfängern aus 14 Nationen. Viele der Kinder sprechen ungenügend Deutsch, weshalb sie vor dem Schuleintritt intensiv gefördert werden. „Jeden Tag erzähle ich Geschichten und erkläre Begriffe. Memory ist ein wunderbares Werkzeug dafür“, erzählt Schwester Christina aus ihrem Alltag. Unterstützung erhält sie außer von ihrem Team auch von einer Sprachförderungspädagogin, die zweimal pro Woche für alle Kinder des Kindergartens zur Verfügung steht.
Große Aufgaben und herausfordernde Gegebenheiten
Im Vergleich zu anderen Kindergärten, in denen Schwester Christina zuvor tätig war, empfindet sie die Platzverhältnisse in Wien als herausfordernd. Alles – vom Spielen über Essen bis zur Bewegung – findet im Gruppenraum statt und die Kinder verbringen viel Zeit auf den umliegenden Spielplätzen.
Die Lebensrealität vieler Kinder spiegelt diese Enge wider. „Wenn man mit einer sechsköpfigen Familie in einer Einzimmerwohnung lebt, ist das eben so“, sagt sie. Migration, Arbeitssuche und finanzielle Not prägen den Alltag der Familien. Hier gilt es, mit einem ganzheitlichen Blick darauf zu schauen, was nötig und notwendig ist.
In Gruppenraum, in dem Sr. Christina Dirnwöber arbeitet, findet einfach alles statt - Essen, Spielen und Bewegung. Die Platzverhältnisse in den Wiener Kindergärten sind herausfordernd.
Die Welt außerhalb von Favoriten entdecken
Das Pädagoginnenteam leistet ganze Arbeit, um für Abwechslung zu sorgen. Ausflüge in die Bücherei, auf den Weihnachtsmarkt oder auf einen Bauernhof gehören dazu. Wie begrenzt die Welt für Kinder mit Migrationshintergrund trotzdem ist, wurde der Don Bosco Schwester durch eine Umfrage der Stadt Wien klar. Die Kinder waren eingeladen, Verbesserungsvorschläge zum Leben in der Hauptstadt zu machen. Doch ihre Kinder, so die Don Bosco Schwester, kommen selten über Favoriten hinaus. „Sie kannten den Eissalon Tichy“, erzählt sie. „Aber die Wiener
Innenstadt mit ihren Prachtbauten war ihnen völlig fremd.“
Die Don Bosco Schwester beschloss, das zu ändern. Passend zum Nationalfeiertag organisierte sie eine Exkursion an der Wiener Ringstraße entlang, vorbei an Oper, Hofburg, Museen, Parlament, Rathaus und schließlich dem Stephansdom. „Die Kinder waren begeistert. Es war, als würde sich für sie eine neue Welt öffnen.“ Dieser Ausflug sollte den Kindern nicht nur neue Eindrücke schenken, sondern auch zeigen, dass sie ein Teil dieser Stadt sind – mit all ihren Möglichkeiten und ihrer Geschichte.
Glaube als Brücke
Die Arbeit von Schwester Christina und ihren Teamkolleginnen ist geprägt von einem interkulturellen und interreligiösen Ansatz, welcher dem Charisma des Trägers der Schwestern vom Göttlichen Erlöser grundgelegt ist – wir sind offen für alles. In ihrer eigenen Gruppe ist Religion immer wieder ein Thema, das die Kinder oft selbst anstoßen. „Vielleicht liegt das auch daran, dass ich ein Ordenskleid trage“, überlegt sie. „Das weckt viele Fragen.“
Religiöse Feste werden mit allen gemeinsam gefeiert. Zwar sind manche Familien in diesem Punkt sehr zurückhaltend, wenn dann aber doch alle kommen, ist das auch für Schwester Christina etwas Besonderes. Sie weiß, hier werden Brücken geschlagen.
Eine Botschaft der Zuversicht
Schwester Christina möchte den Kindern mitgeben, dass sie ihr Leben selbst gestalten können. „Es gibt so viel Gutes, für das es sich einzusetzen lohnt. Und sie sind ein Teil davon.“ Im Kindergarten Troststraße hat die Don Bosco Schwester ihren Platz gefunden – genau dort, wo sie sein möchte.
Text: Karoline Golser, Fotos: privat
Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift Mariam der Don Bosco Schwestern, Ausgabe 1/2025, erschienen.
Zum Interview mit Sr. Christina Dirnwöber