
Wie schenkst du Hoffnung, Schwester Christina?
Sr. Christina, du arbeitest in einem Kindergarten in Favoriten. Wie sieht dein Alltag dort aus?
Sr. Christina Dirnwöber: Unser Kindergarten befindet sich in einem ehemaligen Bankgebäude, mitten im 10. Bezirk in Wien. In meiner Gruppe sind ausschließlich Schulanfänger, 20 Kinder aus 14 Nationen. Viele sprechen wenig Deutsch und werden bei uns gezielt gefördert, bevor sie in die Schule kommen. Ich unterhalte mich viel mit ihnen und erzähle Geschichten. Sprachspiele wie Memory sind sehr gut, um Begriffe zu lernen. Zweimal wöchentlich kommt eine Sprachförderpädagogin für alle 80 Kinder des Kindergartens.
Die Raumverhältnisse sind beengt: Spielen, Essen, Bewegung – all das passiert im selben Raum. Meine Kinder kennen es allerdings nicht anders. Wer mit einer sechsköpfigen Familie in einer Einzimmerwohnung lebt, für den ist das einfach so. In Favoriten gibt es nur wenige Grünflächen, und ein Balkon ist ein Luxus, den sich viele Familien nicht leisten können. Viele Eltern haben einen Migrationshintergrund, sind auf Arbeitssuche, leben unter schwierigen Bedingungen – das ist die Realität in diesen Familien. Doch genau hier gehöre ich als Don Bosco Schwester hin.
In Wien Favoriten vermittelt Sr. Christina Dirnwöber vielen Kindern mit Migrationshintergrund, dass sie es wert sind, gesehen und gefördert zu werden.
Deine Arbeit ist eine große Herausforderung. Wie vermittelst du Hoffnung an die Kinder?
Indem ich ihnen mitgebe, dass sie ihr Leben selbst meistern und gestalten können. Ich möchte ihnen zeigen, dass es viel Gutes gibt, für das es sich einzusetzen lohnt. Deshalb unternehme ich viel mit ihnen.
Zum Beispiel den Ausflug in die Wiener Innenstadt?
Ja, genau. Bei einer Befragung der Stadt Wien, in der Kinder Verbesserungsvorschläge machen konnten, wurde mir bewusst: Keines meiner Kinder war jemals in der Innenstadt. Sie kannten den Eissalon Tichy und den nächstgelegenen Spielplatz – mehr nicht. Da habe ich mir gesagt: Das muss sich ändern.
Zum Nationalfeiertag haben wir eine Exkursion zur Ringstraße gemacht: Wir starteten bei der Oper, besuchten das Rathaus, die Hofburg, verschiedene Museen, das Parlament, das Burgtheater und den Stadtpark. Das große „Aha“-Erlebnis kam am Ende, als die Kinder den Stephansdom zum ersten Mal sahen. Die Wanderung war zwar anstrengend, aber wir hatten sehr viel Spaß.
Ein Ausflaug „raus aus Favoriten“ sollte den Kindern nicht nur neue Eindrücke schenken, sondern auch zeigen, dass sie Teil dieser Stadt sind – mit ihren Möglichkeiten und ihrer Geschichte.
Deine Arbeit ist auch interreligiös geprägt. Wie erlebst du das?
Unser Kindergarten ist christlich, das wissen die Eltern. Wir feiern das Martinsfest und Weihnachten, ich erzähle von Don Bosco und Maria Mazzarello. Religion ist oft ein Thema. Die Kinder sind neugierig, stellen ehrliche Fragen, und wir diskutieren viel. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich ein Ordenskleid trage?
Mir ist wichtig, den Kindern ein grundlegendes Verständnis von Gott und Religion zu vermitteln. Ich erkläre ihnen, dass Gott Liebe ist – und dass man vor ihm keine Angst haben muss.
Gibt es Momente im Alltag, die dir selbst Hoffnung geben?
Ja, besonders, wenn ich nicht nur die Kinder, sondern auch ihre Familien erreiche. Zum letzten Martinsfest hatten wir ein kleines Stück einstudiert, das in der Kirche aufgeführt werden sollte. Ich wusste, dass die Eltern eines Mädchens sehr zurückhaltend waren und nicht vorhatten, zu kommen. Ich habe mit ihnen gesprochen, ihnen erzählt, wie viel Mühe ihre Tochter in den Auftritt gesteckt hat und wie sehr sie sich darauf gefreut hat. Am Ende saßen sie tatsächlich in der Kirche und sahen ihrer Tochter zu. Das hat mich sehr berührt. Solche Momente schenken mir Hoffnung.
Was bedeutet Hoffnung im Glauben für dich?
Hoffnung finde ich in der unermesslichen Güte und Liebe von Jesus. Er ist der erste Hoffnungsträger. Auf ihn kann man vertrauen – auch wenn alles aussichtslos erscheint, weil er „auf krummen Zeilen gerade schreiben kann“. Diese Zuversicht trägt mich.
Meine Mutter ist für mich ebenso eine Hoffnungsträgerin. Schon als Kind hat sie mir Vertrauen in Gott vorgelebt. „Der Herrgott wird’s schon richten“, war schon ein Spruch meiner Oma. Mit acht Jahren begannen wir als Familie, täglich den Rosenkranz zu beten. In meiner Jugend war mir das irgendwann zu viel, aber vor ein paar Jahren habe ich dieses Gebet wieder für mich entdeckt. In Gemeinschaft mit meinen Mitschwestern hat es etwas stark Verbindendes.
Wie schöpfst du selbst Kraft?
Im Garten. In der Erde graben, umstechen, pflanzen, warten, bis etwas keimt – das bringt mich in die Gegenwart und gibt mir Kraft. Auch der Besuch der Abendmesse ist für mich wichtig. Nach einem langen Tag im Kindergarten, wenn ich erschöpft bin und mich eigentlich nur hinsetzen möchte, gibt mir die Messe neue Energie.
Ein weiteres Ritual habe ich am Morgen: Ich halte meine Gedanken schriftlich in einem kleinen Buch fest und nähere mich Gott auf diese Weise. Dabei gehe ich in die Tiefe und kann alles abgeben – Freude, aber auch meinen Grant. Ich weiß: Gott begleitet mich durch alles hindurch.
Zum Interview erscheint ein Artikel in „Mariam” , dem Magazin der Don Bosco Schwestern, Ausgabe 1/2025.