Draußen bei jedem Wetter
Die Basisstation der Freilandgruppe, der „Fuchsbau“, befindet sich in der Gemeindehalle von Rottenbuch. In diesem gemütlichen Raum beschäftigen sich die „Füchse“ bis zum Aufbruch mit Spielen oder Basteln. Es bleibt Zeit für ein Lied, ein Buch oder für Kreisspiele, bevor sie sich auf den Weg machen.
Das Wetter ist heute schlecht, es regnet und vereinzelt fallen sogar Schneeflocken. Bevor wir den Fuchsbau verlassen, haben die Kinder und die Erzieherinnen Angelika Schilcher und Vevi Fischer gemeinsam entschieden, welchen Pfad die Gruppe heute einschlagen möchte: Wir wandern zum „Nikolauswald“.
Der „Fuchsbau“ ist Ausgangspunkt für die Freilandgruppe. Kinderpflegerin Vevi Fischer singt hier mit den Kindern noch ein Lied, bevor es losgeht.
In einem Aufzuchtset für Schmetterling werden Raupen gefüttert. Heute ist noch Zeit, die Größe und die langen Haare der Tiere zu bestaunen. Erzieherin Angelika Schilcher zeigt sie herum.
Der unerwartete Wintereinbruch mitten im April macht den Kindern nicht viel aus. Bestens ausgerüstet springen sie durch Pfützen und feuchtes Gras. Unterwegs pflücken sie Taubnesseln für die Schmetterlingsraupen, die sie im Fuchsbau heranzüchten. Vorbei am geschlossenen Hühnerstall (ja, sogar die Hühner bleiben heute lieber zu Hause) und dem selbstgebauten Tipi aus Ästen, führt unser Weg über eine große Wiese Richtung Wald. Dort angekommen, packen die Erzieherinnen Kübel, Hämmer, Sägen und Schnüre aus und die Kinder verteilen sich mit dem Werkzeug im Gelände – stets in Sichtweite der Betreuerinnen.
Auf dem Weg zum Wald werden unterwegs noch Taubnesseln für die Raupen gesammelt. Ob sie den Tieren schmecken werden?
Heute leider zu: der Hühnerstall ist ein Fixpunkt auf dem Weg zum Wald. Das Wetter war ihnen wohl zu schlecht. Wir hören sie nur leise in ihrem Stall gackern.
„Im Gegensatz zu einem Waldkindergarten haben wir keinen festen Standort“, erklärt Angelika Schilcher das Konzept der Freilandgruppe. „Wir erkunden nicht nur die Natur, sondern die gesamte Gemeinde. Zum Beispiel besuchen wir den Sportplatz, die Kirche oder gehen gemeinsam einkaufen.“ Dabei ergeben sich spontane Lernsituationen. Vor Kurzem beobachteten sie einen Holzrückewagen, der Baumstämme abtransportiert hat. Da wurde eifrig gezählt, wie viele Stämme der Greifarm gleichzeitig heben kann. „Und einmal haben wir einen Gemeindemitarbeiter getroffen, der Wasser aus einem Hydranten entnommen hat. Das war sehr spannend“, erzählt Schilcher.
Ein Holzrückwagen ist eine spannende Sache: Wie viele Baumstämme kann der Greifarm gleichzeitig aufheben. Sind sie dick oder dünn, lang oder kurz, gerade oder gebogen, werden sie längs oder quer verladen?
Der „Nikolauswald“ ist nicht mehr fern. Er hat seinen Namen von einem Nikolausbesuch bekommen, denn die Kinder auf der Wiese hier erleben durften.
Angelika Schilcher arbeitet seit 14 Jahren im Don Bosco Haus für Kinder. Dort hat sie die Waldtage geleitet. Als es im letzten Jahr mehr Anmeldungen als Platz gab, wurde eine Freilandgruppe ins Leben gerufen. „Das Konzept stammt eigentlich aus der Stadt. Die Freilandpädagogen Edeltraud Prokop und Herbert Österreicher haben es in München entwickelt“, erklärt Schilcher. Nach der Genehmigung durch das Landratsamt war es im Herbst 2023 endlich soweit: „Jetzt sind wir ein Vorzeigeprojekt im Landkreis und möchten andere Einrichtungen ermutigen, unserem Beispiel zu folgen“.
Im Wald wird gehämmert und gesägt. „Das schlimmste Werkzeug für ein Kind ist ein Werkzeug, das nicht funktioniert“, so Erzieherin Angelika Schilcher. Wichtig dabei: Es darf ausschließlich Totholz bearbeitet werden!
Auf Ästen balancieren und die Umgebung von oben betrachten – dabei werden mehrere Sinne angesprochen.
Nicht nur die oft erwähnte „frische Luft“ spricht für die Freilandpädagogik. Sie fördert die Eigen- und Körperwahrnehmung der Kinder, ihre Selbstregulation, ihr Gemeinschaftsgefühl und die Gesundheit. Sie sind ständigen Veränderungen ausgesetzt – das betrifft das Gelände genauso, wie das Wetter, die Distanzen, die sie zurücklegen, oder die Menschen, denen sie begegnen. Das schult Verstand, Gefühl und Körper und fördert Fantasie und Selbständigkeit.
Genau wie hier und heute im „Nikolauswald“: Es wird gesägt, gehämmert, über Äste balanciert, auf einer Baumwurzel in ferne Länder gereist, eine Waldsuppe gekocht oder im Schlamm „gebadet“. Die Erzieherinnen sind zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird. Sie geben Impulse oder bieten Beschäftigungsmöglichkeiten an.
Eine Baumwurzel wird zum Schiff. Gemeinsam reisen die Kinder heute in den Dschungel. Was sie dort erwertet? Vielleicht ein Krokodil?
Dreckig werden kann ordentlich Spaß machen.
Voller Matsch, aber gut gelaunt treten wir nach etwas mehr als einer Stunde den Rückweg an. Jetzt schneit es kräftig. Aber das ist nebensächlich, denn bei den „Füchsen“ gibt es immer was zu entdecken – egal, bei welchem Wetter!
Text und Fotos: Karoline Golser
Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift Mariam der Don Bosco Schwestern, Ausgabe 2/2024, erschienen.